Nach dem Abriss der alten Hauptkirche 1899 (über die Orgelgeschichte der Rheydter evangelischen Kirchen erfahren Sie mehr im Anhang unter diesem Kapitel) wurde am 2. Dezember 1902 mit der neuen Hauptkirche auch eine neue Orgel in Gebrauch genommen.
Sie wurde von dem damals berühmten Orgelbauer Wilhelm Sauer aus Frankfurt an der Oder erbaut. Die Gemeinde hatte ein dreimanualiges Werk mit pneumatischer Spiel- und Registertraktur bestellt. Die Disposition stammt vom Orgelsachverständigen der Rheinprovinz, dem Solinger Musikdirektor Paul Hofmann. Unter dem „Orgeltriumphbogen“ auf der Westempore erbaut, bilden der reichverzierte Prospekt aus Zypressenholz, die drei gebündelten Pfeifentürme und die sich anschließenden Pfeifenfelder ein in sich abgeschlossenes Gehäuse, in dem sich der Klang sehr gut mischen und entfalten kann. Unter dem gesamten Orgelgehäuse ist die Balgkammer angebracht. Zwei miteinander verbundene Magazinbälge bekommen den Wind von einem elektrischen Gebläse, das ursprünglich aus dem Jahre 1902 stammt. 40 Register verteilen sich auf Hauptwerk, Oberwerk, Schwellwerk und Pedal. Die Orgel wurde den Jahren 1937 und 1951 klanglich verändert und bekam einen neuen Spieltisch.
1986 wird durch die Firma Karl Schuke die Orgel wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt, verlorene Pfeifen rekonstruiert und ein Spieltisch in „sauerscher Manier“ erbaut.
"Klangbeispiele der Sauer-Orgel"
Günther Eumann, Orgelsachverständiger der evangelischen Kirche im Rheinland, schreibt in seinem Abnahmebericht: „Die gelungene Wiederherstellung verleiht der Orgel Denkmalswert und größtmögliche Authenzität. Die evangelische Kirchengemeinde Rheydt hat recht gehandelt, indem sie keine Mühe gescheut hatte, die Voraussetzungen für die Wiederherstellung ihrer kostbaren Orgel zu schaffen. Sie hat damit einen hohen musikalischen und ideellen Wert geschaffen, der sehr segensreich für die Kirchenmusik in der Hauptkirche sein wird und den spätere Generationen schätzen werden.“
2012 wurde die Orgel nach neusten Erkenntnissen durch den Orgelbauer Mathias Wagner, Mönchengladbach, neu intoniert. Somit zeigt sich das Werk heute mustergültig restauriert und bietet einen hervorragenden Eindruck von der romantischen Klangvielfalt einer Sauer-Orgel im frühen 20. Jahrhundert.
Hauptwerk
Prinzipal 16‘ C-Ds Holz akustisch, alt; E-g‘ Prospekt neu, d‘‘–g‘‘‘, alt, Zinn
Prinzipal 8‘ neu im Prospekt, ab b-g‘‘‘ alt
Gemshorn 8‘ Holz, alt 1902
Gambe 8‘ Rekonstruktion, neu nach Dorstfeld
Flute harmon. 8‘ alt 1902
Gedeckt 8‘ alt 1902
Oktave 4‘ alt 1902
Rohrflöte 4‘ alt 1902
Cornett 3-4fach alt 1902, nur Terzchor neu
Oktave 2‘ alt 1902
Mixtur 4fach neu, Rekonstruktion
Trompete 8‘ Bass aus Pedal zurückversetzt, Diskant neu
Oberwerk
Bordun 16‘ C-H Holz, alt 1902, Rest neu nach Dorstfeld
Prinzipal 8‘ Prospekt neu, sonst alt 1902
Salicional 8‘ alt 1902, zurückgesetzt aus III
Concertflöte 8‘ neu, Rekonstruktion nach Dorstfeld
Liebl. Gedackt 8‘ alt 1902
Fugara 4‘ Rekonstruktion nach Broich und Dorstfeld
Flauto dolce 4‘ alt 1902
Piccolo 2‘ alt 1902, zurückgesetzt aus III
Sesquialtera 2fach alt 1902
Clarinette 8‘ Rekonstruktion nach Amsterdam, St. Nicolaas
Schwellwerk
Liebl. Gedeckt 16‘ Rekonstruktion nach Dorstfeld anstatt Trompete 4‘ (Willi Peter)
Geigenprinzipal 8‘ Rekonstruktion nach Dorstfeld
Quintatön 8‘ alt 1902, aus Hauptwerk zurückversetzt
Aeoline 8‘ Rekonstruktion nach Mühlheim-Broich
Vox celestis 8‘ Rekonstruktion nach Mühlheim-Broich
Fernflöte 8‘ alt 1902
Violine 4‘ Rekonstruktion nach Dom zu Bremen
Flauto traverso 4‘ alt 1902
Oboe 8‘ alt 1902, obere Okatve neu
Pedal
Contrabass 16‘ alt 1902
Subbass 16‘ alt 1902
Violonbass 16‘ Rekonstruktion nach Dorstfeld
Liebl. Gedeckt 16‘ Transmission aus III
Quintbass 10 2/3‘ Holz, neu nach Dorstfeld
Oktavbass 8‘ alt 1902
Gedecktbass 8‘ alt 1902
Violoncello 8‘ C-H in Holz (1902), übrige Pfeifen aus Zinn (nach Dorstfeld)
Oktave 4‘ alt 1902
Posaune 16‘ alt 1902, Holzbecher